«Wir müssen machbare und wirksame Handlungsmöglichkeiten für uns sehen.»
Die Klimakrise stellt uns vor emotionale Herausforderungen - zwischen Hoffnung und Optimismus mischt sich auch Unsicherheit. Doch anstatt sich von Ängsten lähmen zu lassen, gibt es viele Möglichkeiten, aktiv zu werden und Veränderungen herbeizuführen.
Im Interview erklärt Lea Dohm, Psychotherapeutin und Mitbegründerin von Psychologists4Future, wie wir uns und andere zum Handeln inspirieren können. Sie spricht über die Bedeutung einer Neuausrichtung in Unternehmen und wie eine veränderte Kommunikation dazu beitragen kann, Lösungen voranzutreiben.
Lea Dohm, es wird in der Klimafrage viel darüber diskutiert, wie man die Menschen erreicht, sie zum Umdenken bewegt und dazu, anders zu handeln. Blosse Fakten scheinen (oft) nicht zu wirken und manchmal macht es den Eindruck, Menschen ändern ihr Verhalten erst, wenn sie persönlich betroffen sind. Würdest du dem zustimmen?
Lea Dohm: Wir sind bereits jetzt alle persönlich betroffen, nur in unterschiedlichem Ausmass und es ist uns unterschiedlich bewusst. Nein, um ins Handeln zu kommen, sind andere Faktoren entscheidender als die persönliche Betroffenheit: Wir müssen z.B. machbare und wirksame Handlungsmöglichkeiten für uns sehen. Das ist mit Blick auf Klima und Ökologie oft nicht der Fall. Viele empfinden eher Hilflosigkeit und Machtlosigkeit, sehen kaum, was sie selbst für einen Beitrag in dieser Sache leisten könnten.
Das haben wir bei unseren Recherchen zum Thema Wasser gemerkt. Der drohende Wassermangel bzw. eine neue Dürreperiode macht den Menschen grosse Angst. Andererseits sparen viele immer noch kaum Wasser ein, Stichwort Sparduschkopf, Regentonne im Garten, Wasserfussabdruck. Wie schafft man es, die Ängste auf der einen Seite mit dem Gefühl, selbst etwas bewirken zu können, übereinzubringen und ins Tun zu kommen?
Lea Dohm: Ein wunderbares Beispiel für das schwierige Verhältnis zwischen individuellen und strukturellen Änderungen! Das Problem mit dem Wassermangel ist so riesig, da fragen wir uns als Einzelne*r zu Recht, was es überhaupt für einen Unterschied macht, ob ich persönlich nun kürzer dusche. Vorweg: Es macht einen Unterschied. Es ist hilfreich, wenn wir kürzer duschen. Das ist aber für viele gar nicht so einfach, da geht’s viel um Gewohnheiten. Mal kurz den Wassersparkopf einzusetzen ist eigentlich vom Aufwand keine grosse Sache. Aber wir schieben solche Dinge dann auch gerne vor uns her. Ich persönlich finde es übrigens leichter, den Wasserstrahl etwas zurückzudrehen als die Duschzeit zu verkürzen, bestimmt geht das einigen ähnlich.
Mit Blick aufs Wasser wären andere, grössere Massnahmen noch viel wirksamer, z.B. eine überwiegend pflanzliche Ernährung. Und die am besten nicht nur in unserem Privathaushalt, sondern auch in Restaurants, Kantinen und Krankenhäusern. Ein erster Schritt wäre hier z.B. Ehrlichkeit über die grossen, dringend erforderlichen Veränderungen, die uns da kurz-, mittel- und langfristig ins Haus stehen. Und dann Transparenz darüber, welche politischen Massnahmen welche Vor- und Nachteile mit sich bringen, so dass wir als partizipierende Bürger*innen eine informierte Wahlentscheidung treffen können, die nicht nur auf schönen Worten beruht. Da kommen wir dann nochmal zur strukturellen Ebene, denn es ist auch Aufgabe öffentlicher Gesundheitsbildung, Menschen genau bei solchen Fragen weiterzuhelfen. Also z.B. transparent zu machen, wie wirksam einzelne individuelle sowie politische Massnahmen überhaupt sind.
«Wir brauchen Unternehmer*innen, die in eine Gemeinschaft eingebunden sind, die den Ernst der Lage verstanden haben und denen Menschenrechte und eine gemeinsame friedliche Zukunft auf diesem Planeten im Zweifel wichtiger sind als ihr persönlicher Profit.»
Lea Dohm
Psychotherapeutin und Psychologists4Future-Mitbegründerin (Foto: Copyright T.W. Klein)
VernetzenWas braucht es deiner Meinung nach, damit Menschen weltweit die Klimakrise und die damit verbundenen konkreten Veränderungen a) anerkennen und aber b) nicht in Angst und Verzweiflung oder Nichtstun verharren, sondern die Herausforderungen aktiv angehen?
Lea Dohm: Überaus hilfreich wäre eine Weiterentwicklung der öffentlichen Kommunikation – und dabei denke ich z.B. an Medien, Politik oder Bildungseinrichtungen – in etwa in diesem Stil: «Es ist sehr ernst. Die unangenehmen Gefühle, die viele von uns damit verbinden, werden von den meisten Menschen geteilt. Es gibt Handlungsmöglichkeiten auch für dich, und das hier sind die machbarsten und wirksamsten.»
Mit einer Arbeitsgruppe Psycholog*innen haben wir zu diesem Zweck einen Medienleitfaden Klima entwickelt, aus dem sich die allermeisten Punkte aufs Wasser übertragen lassen (www.medienleitfaden-klima.de). Es wäre wirklich sinnvoll, diesen im Journalismus breit anzuwenden.
Und was können wir als Gemeinschaft tun, um resilienter zu werden?
Lea Dohm: Es ist schwer, diese Frage in wenigen Sätzen zu beantworten. Im Wesentlichen wäre es sehr hilfreich, wenn wir unseren beschleunigten und auf Konsum ausgerichteten Lebensstil der vergangenen Jahrzehnte offen hinterfragen. Dieser Stil tut uns nicht gut. Er tut uns psychisch nicht gut, er tut der Natur nicht gut, dem familiären und gesellschaftlichen Zusammenleben auch nicht. Eine Alternative kann es sein, schrittweise zurückzufahren. Arbeitszeit zu reduzieren, sich selbst zu fragen, was wir wirklich zu unserer Zufriedenheit brauchen. Die meisten Menschen beantworten diese Fragen eher mit Gesundheit, Zeit, Gerechtigkeit und Verbundenheit. Sich eine solche Welt vorzustellen und sie Schritt für Schritt mitzugestalten, würde uns als Gesellschaft erheblich an Resilienz gewinnen lassen.
Und was müsste sich in der Unternehmerwelt ändern? Welche Art von Unternehmer*innen und Unternehmen brauchen wir, und mit welchem Mindset müssen diese den Herausforderungen begegnen?
Lea Dohm: Wir brauchen Unternehmer*innen, die in eine Gemeinschaft eingebunden sind, die den Ernst der Lage verstanden haben und denen Menschenrechte und eine gemeinsame friedliche Zukunft auf diesem Planeten im Zweifel wichtiger sind als ihr persönlicher Profit. Ich vermute, dass die meisten aus ihrem eigenen Arbeitsumfeld heraus bereits wissen, was unter den gegebenen ökologischen Voraussetzungen zu tun ist.
Wenn es nach mir ginge, würde ich am liebsten so etwas wie den Hippokratischen Eid der Ärzt*innen auch für Unternehmer*innen einführen. Ihr Handeln hat so grosse gesellschaftliche Auswirkungen für das Allgemeinwohl. Zudem wünsche ich mir, dass die Missachtung des Allgemeinwohls und die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen auch juristisch eine entscheidungsleitende Dimension wird und bestraft werden kann.
Zum Schluss eine persönliche Frage: Wie gehst du damit um, wenn du selber mit Ängsten und Überforderung angesichts all der Probleme und Aufgaben konfrontiert wirst?
Lea Dohm: Ich spreche mit Menschen, denen es ähnlich geht wie mir. Wir sind füreinander da und das ist ein riesiger Schatz. Ich ziehe mich aus Projekten zurück, die mir zu langsam oder wenig erfolgversprechend erscheinen und verdeutliche mir die Erfolge, die es bereits gibt. Und ansonsten: Aushalten und weiteratmen.
Herzlichen Dank für deine Zeit!