Die Welt ist, was sie isst.

Unsere Ernährung, der Klimawandel und unser Umgang mit Wasser hängen zusammen. Und wir, die reicheren Industrienationen, müssen vorangehen und einen Weg zu einer klimafreundlichen Ernährung finden, die nicht Verzicht, sondern Gewinn für uns alle bedeutet.  

 

Die gute Nachricht vorweg: Selten waren wir uns unserer Ernährung so bewusst. «Du bist, was du isst» ist längst keine hohle Phrase mehr, sondern schlägt sich in Umfrage-Ergebnissen, deckenhohen Regalen voller (Koch-)Bücher, der Kühltheke im Supermarkt und Dutzenden neuen Restaurants nieder.  

Und: Immer mehr Menschen werden sich bewusst, dass ihre Ernährung Auswirkungen auf das Klima und damit uns alle hat. Vor allem der Blick auf den Wasserverbrauch, den Lebensmittel in Anbau, Herstellung und Transport haben, wird angesichts drohender Trockenperioden immer wichtiger. Im Anbau einer Tomate stecken bis zu 50 Liter Wasser, diese findet meist auch noch als «Fluggemüse» den Weg in unseren Supermarkt – so kann es nicht weitergehen.  

Wie haben zwei Menschen zum Interview getroffen, die sich mit dem Thema Ernährung seit Jahren beschäftigen. In dieser Woche starten wir mit Mathias Plüss, Wissenschaftsjournalist und Autor. Nächste Woche folgt dann Sophia Hoffmann, vegane Köchin, Buchautorin und Mitgründerin des Restaurants Happa in Berlin.
Beide sind sich darin einig, dass sich mit der Ernährung auch die Gastronomie verändern muss, und auch, dass wir nur gemeinsam, als Individuen und Unternehmen, und mit kluger Politik eine Veränderung bewirken können.  

«Wenn wir die Wende dauerhaft schaffen wollen, braucht es vereinte Kräfte.»

Mathias Plüss

Foto ©Regina Hügli

Mathias Plüss, wie ernähren wir uns – vereinfacht gesagt – am vernünftigsten, um das Klima zu schonen und vor allem Wasser zu sparen, und warum?

Mathias Plüss: Es gehört zu den gerne ignorierten Problemen der Umweltdebatte, dass sich die Ziele manchmal widersprechen. So ist etwa Bio gut für die Artenvielfalt, aber nicht unbedingt fürs Klima. Wintertomaten aus Spanien sind gut fürs Klima, aber schlecht fürs Wasser, weil sie oft in sehr trockenen Regionen mit Intensivbewässerung angebaut werden. Einheimische Wintertomaten wiederum haben kein Wasserproblem, dafür aber eine schlechte Energiebilanz, da sie meist aus geheizten Treibhäusern stammen. Die ökologisch korrekte Wintertomate ist daher jene aus der Dose. 

Das hört sich kompliziert an, aber mit ein paar einfachen Grundsätzen kann man allen Seiten einigermassen gerecht werden: Keine Flugware kaufen. Wenig Fleisch, wenig Milchprodukte. Auch wenig Reis, denn dieser ist nicht gut fürs Klima. Bei Früchten und Gemüsen auf die Saison achten. Die Regionalität ist weniger wichtig, da der Transport in der Ökobilanz meist eine kleine Rolle spielt. Allerdings sollte man bei Importprodukten darauf achten, dass sie nicht aus Trockenzonen stammen. Problematisch sind da vor allem kalifornische Mandeln, südamerikanische Avocados oder eben Früchte und Gemüse aus Südeuropa. 

Wie können wir unsere Ernährung nicht nur im Kleinen anpassen, sondern wie können wir gross denken? Wo gibt es Synergien, wie können Veränderungen gemeinsam angegangen werden?

Mathias Plüss: Die Gastronomie ist enorm wichtig. Die Hälfte der Hauptmahlzeiten nehmen wir auswärts ein, achten dort aber viel weniger auf die Umwelt als beim Selberkochen. Etliche Studien haben mittlerweile gezeigt, dass die Auswahl und das Darbieten der Menüs einen grossen Einfluss auf den Fleischkonsum haben. Je grösser das Vegi-Angebot, desto weniger Fleisch wird gegessen. Das geht ganz ohne Zwang. Eine gute Idee ist es beispielsweise, wenn in Kantinen zwei von drei Menüs stets vegetarisch oder vegan sind. Diese aber bitte nicht als «Vegi» anschreiben, weil das einen Teil der Leute abschreckt. 

Ein blinder Fleck bei der Ernährung sind oftmals die Restaurants. Die Idee mit dem breiteren Vegi-Angebot gilt natürlich auch hier. Es kann auch helfen, wenn ein ökologisches Gericht zum «Standard des Hauses» gekürt wird oder wenn das Menü 1 stets vegan oder vegetarisch ist – wiederum ohne dass man das explizit dazuschreibt. Foodwaste ist ein Riesenthema: Hier können etwa kleine Portionen (mit der Möglichkeit eines Nachschlags), Doggybags, Restenmenüs und kleine Teller am Buffet helfen. Ein grosses Problem ist auch die Kochausbildung, die immer noch stark auf Fleisch fokussiert. Eine spezifische Lehre zum Vegikoch, zur Vegiköchin wäre eine gute Sache. 

Es scheint oft so zu sein, dass das Ziel klar ist, doch die Umsetzung das (komplexe) Problem. Was wir ja (nicht nur) in Sachen Ernährung brauchen, ist ein systemischer Wandel. Was würden Sie sagen: Wie sieht dieser aus und wie kommen wir dahin? 

Mathias Plüss: Es wird auf jeden Fall viel Zeit und Energie brauchen. Wir haben es beim Corona-Schock gesehen: Erzwungenermassen gab es da in vielen Gebieten eine Hinwendung zu nachhaltigeren Lebensweisen (Fliegen, Ernährung, Autofahren), die inzwischen aber völlig verpufft ist. Wenn wir die Wende dauerhaft schaffen wollen, braucht es vereinte Kräfte: neue Technologien, innovative Firmen, kluge Politik, Verbote und Vorschriften, aber auch Individuen und Kleingemeinschaften, die sich engagieren und andere damit anstecken. Ohne diesen breiten Effort wird die Verschiebung der sozialen Norm in eine grünere Richtung nicht zu schaffen sein. 

Ganz wichtig: Wir Menschen mögen den Verlust nicht – so sind wir gestrickt. Die Ziele, die wir uns individuell oder als Gesellschaft stecken, sollten daher nicht auf den Verzicht fokussieren, sondern auf etwas Positives, für das wir die nötige Motivation aufbringen. Wer einen guten Vegi-Kochkurs besucht, wird die Umstellung eher schaffen als jener, der sich bloss vornimmt, sich künftig das Fleisch zu verbieten. Erstrebenswerte Ziele können etwa auch gute Gesundheit dank Velofahren oder eine Stadt mit weniger Lärm und besserer Luft dank reduziertem Autoverkehr sein. 

Vielen Dank für das Gespräch, Mathias!

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