Das System Wasser neu denken

Gemeinsam Ideen entwickeln, Netzwerke bilden und die Umsetzung angehen

Unser Ziel mit dem «Fokus Wasser» war es, euch eine Übersicht über die politischen Rahmenbedingungen, die Hürden, aber auch die Möglichkeiten zu geben. Bei unseren Recherchen mussten wir feststellen: Das ist leichter gesagt als getan, denn es ist wie so oft «kompliziert». Was politisch schon gut läuft (Stichwort: Gewässerschutzgesetz), wo noch mehr geht (Stichwort: Kontrolle) und was ihr tun könnt, um unser Wasser zu schützen, erklären Martina Munz, Nationalrätin und Präsidentin von Aqua Viva, sowie Salome Steiner, Geschäftsleiterin von Aqua Viva, im Interview. 

 

Frau Munz, wie kann und muss die Schweizer Politik das Wasser schützen?
Martina Munz: Wasser ist Leben. Aus Sicht von Aqua Viva geht es um drei wesentliche Punkte. Erstens: Wir müssen sorgsamer mit der Ressource Wasser umgehen, das heisst wo immer möglich Wasser sparen. Zweitens: Pestizide und Stickstoff dürfen nicht in unsere Gewässer gelangen und diese verseuchen. Drittens: Wir müssen den Lebensraum Gewässer schützen, also das Grundwasser, unsere Flüsse, Seen und Quellen. Denn nur intakte, lebendige Gewässer können ihre Funktionen in der Natur erfüllen und sind damit unsere Lebensgrundlage.

Wie kann die Politik sicherstellen, dass die Schweiz auch in Zukunft genügend Trinkwasser zur Verfügung hat?
Martina Munz: In der Schweiz stammen rund 80 Prozent des Trinkwassers aus dem Grundwasser. Dieses ist jedoch zunehmend verunreinigt durch Pestizide und Nährstoffe aus der Landwirtschaft. Bereits 2019 warnte das Bundesamt für Umwelt, dass qualitativ einwandfreies Trinkwasser keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Die Anreicherungen von Pestiziden und Wirkstoffen im Grundwasser schadet uns Menschen. Um unser Trinkwasser zu schützen, braucht es daher strengere Vorschriften und wirksame Kontrollen. Einen zweiten Fall Chlorothalonil darf es nicht mehr geben. 
 

«Nur intakte, lebendige Gewässer können ihre Funktionen in der Natur erfüllen und sind damit unsere Lebensgrundlage.»

Martina Munz

Nationalrätin und Präsidentin von Aqua Viva; Foto: Martina Munz (zVg)

Wie kann sie Gewässer und damit auch Flora und Fauna vor schädlichen Umwelteinflüssen schützen?
Salome Steiner: Über 80 Prozent aller bekannten Tierarten kommen in Gewässern sowie in Ufer- und Auenlebensräumen vor. Naturnahe Uferbereiche wirken zudem als Pufferzone und verhindern, dass Pestizide und Nährstoffe aus umliegenden Flächen in unsere Gewässer gelangen. Seit 1850 sind jedoch über 90 Prozent der Auenflächen verloren gegangen. Viele Gewässer wurden begradigt, verbaut oder aufgestaut. Um die Biodiversität zu schützen und für uns Menschen wichtige Gewässerfunktionen zu erhalten, müssen wir unsere Flüsse, Bäche und Seen wieder in einen naturnahen Zustand versetzen und ihnen hierzu auch den nötigen Raum geben.

Welche wichtigen Gesetzesvorhaben gibt es bereits, welche müssen kommen, welche sind in Arbeit?
Salome Steiner: Wir haben in der Schweiz ein Gewässerschutzgesetz, dessen Umsetzung viel für unsere Gewässer und die darin lebenden Tiere und Pflanzen bewirken würde. Leider werden die gesetzlichen Fristen nicht eingehalten und die Vorgaben immer wieder verwässert. Hier müssen wir endlich vorwärtsmachen, genauso bei der Gewässerrevitalisierung. Darüber hinaus brauchen wir einen besseren Schutz der letzten unberührten Gewässerperlen der Schweiz. Heute gelten weniger als 5 Prozent des Schweizer Gewässernetzes als vollständig intakt. Aqua Viva kämpft für deren Erhalt und die Wiederbelebung beeinträchtigter Gewässer.


Welche Projekte braucht es, was könnten Schweizer Pionier*innen konkret tun, um das Wasser in der Schweiz zu schützen und die Schweiz speziell im Bereich Wasser nachhaltig aufzustellen?
Salome Steiner: Viele Schweizer Gewässer sind heute begradigt, durch Wehre und Schwellen zerstückelt oder stark verbaut. Diese Gewässer zu renaturieren, sollte eine unserer wichtigsten Aufgaben sein, und wenn sich neben Privatpersonen auch Gründer*innen und Unternehmen engagieren, erreichen wir viel mehr. Es gilt also, Ideen zu entwickeln, Netzwerke zu bilden und sich an Politik und Verwaltung zu wenden und gemeinsam die Umsetzung anzugehen. 
Auch smarte Lösungen können zum Schweizer Gewässerschutz beitragen – eine App zum Beispiel, die eine Besucherlenkung möglich macht, um beispielsweise Wasservögel und Fische während der Brutzeiten zu schützen.

Vielen Dank für das Gespräch! 

«Es gilt, Ideen zu entwickeln, Netzwerke zu bilden, sich an Politik und Verwaltung zu wenden und gemeinsam die Umsetzung anzugehen.»

Salome Steiner

Geschäftsleiterin von Aqua Viva. Foto: Salome Steiner (© Rico Zumbrunnen)

So geht's im Juli weiter

Next Update

Tage
:
Stunden
:
Minuten
:
Sekunden

Lust auf mehr?

«Abwasser ist die zuverlässigste Wasserquelle in der Stadt.»

Interview mit Bastian Etter, Geschäftsführer der Vuna GmbH, über das Potenzial der dezentralen Abwasseraufbereitung und bereits existierende Lösungen.

Mehr lesen
...

«Man muss zusammen die besten Lösungen entwerfen.»

Wir haben VaLoo-Geschäftsleiterin Louise Carpentier im Interview gefragt, warum die Zeit reif für Veränderungen ist, wenn es darum geht, eine kreislauffähige Sanitärversorgung in der Schweiz zu etablieren.

Mehr lesen
...

«Eine rein pflanzliche Küche ist ein enormer Gamechanger.»

Interview mit Sophia Hoffmann, vegane Köchin, Buchautorin und Mitgründerin des Restaurants Happa in Berlin, darüber wie sich das Menü verändert, wenn man den Wasserverbrauch mit einberechnet, und was es braucht, um Nachhaltigkeit zu belohnen.

Zum Interview
...

Die Welt ist, was sie isst.

Unsere Ernährung, der Klimawandel und unser Umgang mit Wasser hängen zusammen. Und wir, die reicheren Industrienationen, müssen vorangehen und einen Weg zu einer klimafreundlichen Ernährung finden, die nicht Verzicht, sondern Gewinn für uns alle bedeutet. Ein Interview mit Wissenschaftsjournalist und Autor Mathias Plüss.

Zum Interview
...

Heute Idee, morgen Wirkung: das «Von 0 auf 100»-Coaching!

Du hast sie. Die alles verändernde Idee, die Lösung für unser Wasserproblem. Vielleicht. Ganz sicher bist du nicht? Dann bewirb dich jetzt für ein «Von 0 auf 100»-Coaching, das dich und deine Idee aufs nächste Level hebt.

Jetzt bewerben
...

«Wasser im (Klima-) Wandel: Lösungsansätze für den nachhaltigeren Umgang mit Wasser»

Überschwemmte Landstriche, Dörfer und Städte auf der einen, ausgetrocknete Felder und Flüsse auf der anderen Seite. Mit den Auswirkungen des Klimawandels gerät der Kreislauf des Wassers immer mehr aus dem Gleichgewicht. Was tun? 

Zum Artikel
...

«Wir müssen machbare und wirksame Handlungsmöglichkeiten für uns sehen.»

Interview mit Lea Dohm, Psychotherapeutin und Psychologists4Future-Mitbegründerin über die Herausforderungen der Klimakrise und wie wir ins Tun kommen können.

Zum Interview
...

«Wasser ist ein Fluss und kein Vorrat.»

Tobias Schäfer, Referent für Gewässerschutz beim WWF Deutschland spricht mit uns über die Wassersituation in der Schweiz und Deutschland, über Wasser als Kreislaufwirtschaft par excellence, über neue Ansätze – und die Hoffnung, die bleibt.

Zum Interview
...